Dienstag, 30. November 2010

Viel Lärm in Tübingen und journalistische Grundregeln

Die Tübinger Gemeinderatsbeschlüsse haben einen Welle der Empörung in Tübingen und Umgebung ausgelöst. Die Leserbriefschreiber übertreffen sich geradezu mit rhetorischen Finessen. Aber was ist denn passiert? Boris Palmer ist gegen S21 - das ist wohl medienwirksam bekannt und das darf er wohl auch. Unklar war bisher, ob er hierfür einen Auftrag durch den durch demokratische Wahlen legitimierten Gemeinderat hat. Das ist jetzt geklärt. Der Gemeinderat ist in seiner Mehrheit für S21 - und das darf der Gemeinderat ebenso. Gleichzeitig hat sich der Gemeinderat (mit einer anderen Mehrheit) für einen landesweiten Bürgerentscheid ausgesprochen. Auch das darf der Gemeinderat. Also eigentlich viel Lärm um nichts. Das Schmerzgeheul kann verstummen - es ist kein Heiliger von der Säule gestoßen worden. Der Herr Palmer ist bestimmt robust genug, um nicht gleich von der besagten Säule zu fliegen. Die Rede von Gemeinderat Sökler habe ich mittlerweile auch gelesen. Die war doch sachlich und pfiffig aufgemacht. In diesem Zusammenhang muss ich einmal an eine journalistische Grundregel erinnern: die klare Trennung von Bericht und Kommentar. Hier muss das Tagblatt wohl noch mal auf die Schulbank - im Reutlinger Generalanzeiger las sich das ganz anders. Ich finde, jetzt sollte es wieder um Kommunalpolitik gehen - Themen gibt's ja genug: Wohnungsnot, Kulturförderung, kritische Haushaltslage. Und vielleicht kann man sich auch mal dem Projekt "Innen:Stadt" widmen. Da fällt mir noch ein: ich habe eine Wette gewonnen.

Dienstag, 23. November 2010

Cato der Ältere in Tübingen

"Im übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss." Dieser Spruch hat mich damals in der Schule, als ich mich mit den punischen Kriegen beschäftigte, schwer beeindruckt. 
Jetzt hat der Tübinger Gemeinderat zwei Dinge beschlossen: 1. Man ist für S21 (schwarz-rote Mehrheit) 2. Man ist für einen landesweiten Bürgerentscheid zu S21 (grün-rote Mehrheit). Interessante Konstellationen sind das. Was kann jetzt der Oberbürgermeister Palmer damit anfangen? Warum macht er es nicht einfach so wie Cato der Ältere? Jede Rede kann er doch einfach damit beenden: "Im übrigen bin ich gegen S21." Da gibt es ja auch noch weitere Anwendungsmöglichkeiten, z.B.: "Im übrigen bin ich der Meinung, dass Tübingen blau machen sollte." Dieser Tipp ist im übrigen kostenlos.

Dienstag, 16. November 2010

Orte in Tübingen

Heute wird im Tagblatt die schwierige Situation der Veranstaltungsorte in Tübingen beklagt. Alter botanischer Garten, Schlosshof, Plataneninsel, Marktplatz - alles schwierig. Das ist ja an sich nichts Neues. Gestolpert bin ich über die Tatsache, dass im Schlosshof eine Wanderoperntruppe mit Nabucco gastierte. Früher gab es dort einmal den Tübinger Sommer mit anspruchsvollem Theater - und deutlich weniger Lärm für die Fledertiere. Da gab es strenge Auflagen hinsichtlich des Lärmschutzes. Und jetzt schmetterte dort ein Gefangenenchor. Seltsam. Seltsam finde ich auch, dass die Überdachungen über den Fahrradständern des Westbahnhofes so angeordnet sind, dass bei Regen in jedem Fall der Sattel nass wird.

Freitag, 12. November 2010

Wettbewerb, Strom und "good news" aus Tübingen

Die Tübinger Stadtwerke klagen gegen die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Begründung: Wettbewerbsverzerrung. Die Atomkraftwerke seien längst abgeschrieben und dadurch könnten die Betreiber billigen Strom anbieten. Sehr zutreffende Argumentation. Ergänzen kann ich die Argumentation noch dadurch, dass im Atomstrompreis ja nicht die tatsächlichen Kosten abgebildet sind. Kosten für die Castor-Transporte werden schließlich sozialisiert.
Die Tübinger Firma Hölle & Hüttner investiert über 2 Mill. Euro im Tübinger Technologiepark. Nach den tollen Nachrichten von Immatics und Curevac, die beide im Technologiepark neue Krebsmedikamente entwickeln, hat mich auch dies sehr gefreut.

Dienstag, 9. November 2010

Die Berufserfahrung von Politikern

"Wichtig ist, dass sich in der Politik Kerle tummeln, die einen zivilen Beruf nicht nur erlernt, sondern auch mit Erfolg ausgeübt haben." Dieser Satz fiel mir im letzten ZEIT-Magazin auf - ausgesprochen hat ihn Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Die gerade häufig in den Medien auftauchende Bundesfamilienministerin ist wohl 2002 direkt vom Studium in das Abgeordnetendasein gewechselt. Berufserfahrung außerhalb der Politik? Fehlanzeige. Vielleicht ist dies ein Erklärungsansatz? Und wie sieht es mit der erfolgreichen Berufserfahrung im Tübinger Rathaus aus? Nur mal so eine Frage ...

Tübingen ohne Sitzblockaden?

Gestern protestierten junge Aktivisten während einer Gemeinderatssitzung gegen geplante Einsparmaßnahmen - mittels einer Sitzblockade. Nach meiner Einschätzung ein durchaus legitimes Mittel, das ja auch in der Anti-Atomkraftbewegung, der Friedensbewegung und jüngst bei S21 zum Einsatz kam. Die Tübinger Rathausspitze sah das anders: die Arbeit von Parlamenten zu behindern sei undemokratisch und überhaupt - man selbst habe noch nie an einer Sitzblockade teilgenommen. Wie bitte? Sind die Grünen nicht aus verschiedenen Protestbewegungen, der außerparlamentarischen Opposition hervor gegangen? Vielleicht sollte man sich mal bei einem der altehrwürdigen Grünen der Gründungsjahre erkundigen. Die haben allerdings auch keine blauen Anzüge getragen.

Samstag, 6. November 2010

Medienrummel, Urbanität und andere bemerkenswerte Projekte

Japanischer Dienstwagen, Elternzeit und Fahrradtunnel für Mofas gesperrt. Ach ja, und dann waren da noch Steckdosenleisten. Was dies alles miteinander zu tun? Es sind die bemerkenswertesten Projekte, die mir in der Tübinger Stadtpolitik aufgefallen sind. Und dies allein aufgrund des Medienrummels, den sie ausgelöst haben. Sei er nun beabsichtigt gewesen oder nicht. Heute steht im Tagblatt, dass zumindest eines dieser bemerkenswerten Projekte nicht aufgrund der Medienwirksamkeit gestartet wurde. Das glaube ich gerne. Aber warum wird dafür eigens eine Pressekonferenz veranstaltet? Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.
Urbanität gehört die Zukunft, so stehts heute im Tagblatt. Dem muss man wohl zustimmen. Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Ebenso richtig. Tübingen ist hier vorbildlich. Das muss man noch mal genauer betrachten. Unlängst wurde der Tübinger Wohnraumbericht veröffentlicht: Wohnungsnot. Familien mit Kindern finden keinen bezahlbaren Wohnraum. Gibt's doch garnicht. Ja, wo sind denn die urbanen 5-6 Zimmerwohnungen entstanden, die man benötigt, wenn man sich ein paar Kinder leistet? Einfamilienhäuser werden in Tübingen so um die 500.000 Euro gehandelt. Knappes Angebot führt zu hohen Preisen. Andernorts bemüht man sich gezielt um die Ansiedlung von Familien - da gibt es Preisreduzierungen beim Kauf von Bauland. Aber in Tübingen ist man eben vorbildlich.